»Endlösung der Judenfrage«

»Endlösung der Judenfrage«
I
»»Endlösung der Judenfrage««
 
Bald nach der Machtübertragung auf Hitler setzte der staatlich gelenkte Terror gegen die jüdische Bevölkerung ein. Er begann mit dem vom Reichspropagandaministerium angeordneten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 und führte über die Nürnberger Gesetze im September 1935 zu den Pogromen in der »Reichskristallnacht« am 9./10. November 1938. Um der fortwährenden Diskriminierung und Verfolgung zu entgehen, war mehr als die Hälfte der in Deutschland und Österreich lebenden Juden ausgewandert.
 
Hitler hatte in den letzten Monaten vor dem Krieg in öffentlichen Reden sowie in Gesprächen mit ausländischen Staatsmännern für den Kriegsfall »die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa« angekündigt. Unmittelbar nach der Besetzung Polens zeigte sich, dass diese Drohung nun wahr gemacht wurde. Die letzte Phase nationalsozialistischer Gewalt gegen die Juden, die physische Vernichtung, hatte begonnen, als die von Himmler befehligten »Einsatzgruppen« der SS die jüdische Bevölkerung Polens in Gettos pferchte und vielerorts Massaker verübten.
 
Im Frühsommer 1941 hatten die Planungen zur systematischen Vernichtung der europäischen Juden Gestalt angenommen. Durch die Siege der deutschen Wehrmacht waren inzwischen große Teile der jüdischen Bevölkerung Europas in den Machtbereich der SS geraten. Im Auftrag Hitlers erteilte Reichsmarschall Hermann Göring dem SS-Gruppenführer Heydrich im Sommer 1941 den Befehl, »die organisatorischen, sachlichen und materiellen Vorausmaßnahmen zur Durchführung der angestrebten »Endlösung der Judenfrage«« vorzubereiten.
 
Heydrich lud Vertreter politisch wichtiger Reichsministerien und Parteidienststellen zu einer Unterredung ein, die am 20. Januar 1942 in einer Wannseevilla stattfand. In sehr bürokratischer Diktion erläuterte er das Vorhaben. Die Länder Europas, soweit sie im Herrschaftsbereich der Deutschen lagen, sollten »gesäubert«, das heißt »judenfrei« gemacht werden. Die Juden sollten »in geeigneter Weise im Osten zum Einsatz kommen«, dabei wurde einkalkuliert, dass »zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird«. Der überlebende Teil »wird entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist«.
 
Damit war der Massenmord gemeint, der in den inzwischen im Osten eingerichteten Vernichtungslagern begonnen hatte. Etwa sechs Millionen Juden wurden von den Nationalsozialisten ermordet, mehr als die Hälfte davon in den Vernichtungslagern, die dem alleinigen Zweck der Massentötung dienten, während in den Konzentrationslagern die Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge (»Tod durch Arbeit«) betrieben wurde. In Auschwitz-Birkenau und in Lublin-Majdanek befanden sich sowohl Konzentrations- als auch Vernichtungslager, und die deutsche Wirtschaft betrieb große Industrieanlagen in der Umgebung.
 
Niemand von den bei der »Wannseekonferenz« anwesenden Vertretern der Ministerien erhob Widerspruch. Von nun an rollten die Deportationszüge, die trotz der schwieriger werdenden Kriegslage an der Ostfront zur Verfügung gestellt wurden, mit Opfern aus allen besetzten Ländern Europas und aus dem Reichsgebiet in die Vernichtungslager.
 
Das Protokoll der »Wannseekonferenz« stammt vom »Judenreferenten« des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), Adolf Eichmann. Er wurde 1960 vom israelischen Geheimdienst in Südamerika gefunden, 1961 von einem israelischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.
II
»Endlösung der Judenfrage«,
 
nationalsozialistische Umschreibung für die systematische Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern, die auf der Wannseekonferenz 1942 mit den beteiligten Dienststellen abgestimmt wurde. Diese Aktion (1942-45) markiert den Höhepunkt des nationalsozialistischen Genozids (Völkermord) an den europäischen Juden (Holocaust; Nationalsozialismus).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Holocaust: Die rassistische Vernichtungspolitik Deutschlands
 

Universal-Lexikon. 2012.

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